Das Bonding-Bad als ganz besonderes Erlebnis für Mama und Baby

Von Gastautorin Lena

Ein paar Wochen nach der traumatischen Geburt meines zweiten Kindes – von der ich in meinem letzten Gastartikel berichtet habe – bat ich meine Hebamme, mit mir und meinem Baby ein Bonding-Bad durchzuführen. Diese eigentlich so simple Maßnahme wurde zu einem unvergesslichen Moment in meinem Heilungsprozess.

Kurz nach dem Notkaiserschnitt ging ich auf meine ganz eigene Art mit dieser einschneidenden Erfahrung um: Wochenlange Recherchen. Zuerst wollte ich einfach nur die genauen Ursachen und Auswirkungen meiner Geburtskomplikation verstehen und begreifen, was eigentlich passiert war. Ich las unzählige medizinische Fachartikel, analysierte Studien mit Statistiken, und stieß irgendwann in einem Podcast auf das Konzept des Bonding-Bads.

Das Bonding-Bad, manchmal auch “Babyheilbad” oder “Mutter-Kind-Bad” genannt, wurde von der Hebamme Brigitte Meissner entwickelt und ist weit bekannt als eine erste Maßnahme nach einer schwierigen Geburt oder bei sonstigen Gegebenheiten, die einen negativen Einfluss auf die Bindung zwischen Mutter und Baby haben könnten. In meinem Fall war es aber vor allem eine Möglichkeit, die Geburtserfahrung, die ich durch den Notkaiserschnitt mit Vollnarkose nicht erleben durfte, symbolisch nachzuholen. Rückblickend wünschte ich mir, ich hätte das Bonding-Bad im schwierigen Wochenbett mit meinem ersten Kind bereits gekannt. Denn ich bin überzeugt, dass ein solches Heilungsbad für sehr viele Mamas ein besonderer und kraftvoller Moment mit ihrem Baby sein kann – ob noch im Wochenbett oder Monate später, und unabhängig davon, wie die Geburt verlief.

Die Initiative für mein Bonding-Bad kam also von mir selbst. Meine Hebamme kannte das Konzept zwar in der Theorie, hatte es jedoch noch nie selbst durchgeführt. Sie war sofort motiviert und recherchierte selbst, auf was zu achten war. Aus medizinischen Gründen dauerte es fast 8 Wochen bis ich und mein Baby endlich bereit dafür waren. Zur Vorbereitung kaufte ich schöne Kerzen für unser Badezimmer und stellte eine beruhigende Playlist zusammen, die ich leise im Hintergrund laufen ließ. Die Musik sollte mir helfen, meinen verdrängten Emotionen freien Lauf zu lassen, denn ich wollte mich emotional komplett auf diesen Moment und auf mein Baby einstellen können. Meine Hebamme dunkelte das Badezimmer ab und bereitete die Lichtverhältnisse so vor, dass sie dem des Kreissaals glichen, als meine Wassergeburt noch wie geplant ablief. Dann setzten wir uns hin und sprachen über die Wassergeburt, ohne auf die darauffolgende Komplikation einzugehen. Irgendwann ging ich ins warme Wasser. Wir stellten quasi die Geburt nach, wie ich sie mir eigentlich gewünscht hatte. Die Hebamme hielt meinen Sohn ebenfalls ins Wasser und legte ihn mir dann auf die Brust. Seine nasse Haut berührte meine. Ich kann kaum beschreiben, wie intensiv so eine körperliche Inszenierung auf das Unterbewusstsein einwirkt. Ich weinte vor Glück, vor Schmerz, vor Wut, vor Dankbarkeit. Alle Emotionen, die ich wochenlang unterdrückt hatte, kamen hoch, und es fühlte sich an wie eine Flut der Erleichterung.

Die Hebamme ließ uns dann für einige Zeit alleine. Ich hielt mein Baby, ich streichelte ihn, ich stillte ihn. Er war ganz ruhig, schlief zwischendurch ein, fühlte sich sichtbar geborgen. Manche Babys weinen beim Bonding-Bad. Auch das ist in Ordnung. Erst als das Wasser kalt wurde, beendeten wir das Bad. Alle Emotionen waren einmal gefühlt und konnten nun wieder hinter meiner schützenden Fassade bis zur nächsten sicheren Gelegenheit verpackt werden.

Man kann ein Bonding-Bad auch ganz alleine mit dem Baby durchführen. Auch das habe ich danach noch ausprobiert. Ich denke jedoch, dass die Begleitung durch die Hebamme oder eine andere Bezugsperson beim ersten Mal extrem wichtig ist, um sich wirklich in die Situation hineinzuversetzen und gleichzeitig nicht alleine zu sein.

Ich weiß nicht, inwiefern das Bad tatsächlich zur Verarbeitung des Traumas beigetragen hat. Aber ich würde die Erfahrung auf keinen Fall missen wollen. Die Playlist auf Spotify nannte ich übrigens ganz einfach “Bonding Bath” und wenn es mir schlecht geht, wenn ich wütend bin oder traurig, wenn ich meine Emotionen loswerden möchte, höre ich sie auch heute noch rauf und runter.

 


Über Lena:

Lena ist 30 Jahre alt, kommt aus der Schweiz, und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Jungs (3,5 Jahre und 6 Monate) ein arabisch-schweizerisches Multikulti-Leben. Sie arbeitet in der humanitären Hilfe und jongliert damit täglich zwischen Familienalltag und internationalem Beruf.

 

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Fotocredits: Ian Keefe via Unsplash