Von Gastautorin Nina Krasa
Wie viele andere Menschen gehöre auch ich zu der Sorte, die gerne Listen schreiben und Punkte von Ihrer To-Do-Liste abhaken. Ich freue mich, wenn ich sehe, dass ich einen neuen Meilenstein in einem Projekt geschafft habe. Es ist ein sehr befriedigendes Gefühl, wenn ich eine Anfrage im Büro beantworten und diese E-Mail dann aus meinem Posteingang löschen kann. Schön finde ich es auch, wenn der Wäscheberg kleiner geworden und die frisch gewaschenen Klamotten in den Kleiderschrank gewandert sind.
“Es gibt eine Aufgabe, ich erledige sie, sie ist abgehakt und ich bin zufrieden. Klappt in allen Lebensbereichen, nur in einem nicht: Dem Mama-sein.”
Ich frage mich seit ich mit meinem zweiten Kind wieder in Elternzeit zu Hause bin oft, was es eigentlich ist, dass mich jeden Tag aufs Neue so anstrengt, oft auch sauer macht und triggert, bin ich doch im wirklichen Leben durchaus eine Person, die gut zupacken und in kürzester Zeit viele Dinge als geschafft von der To-Do-Liste streichen kann. Warum schafft mich dann der Alltag mit Baby und Kleinkind so?
Was für mich das Mama-sein so anstrengend und ermüdend macht – ein Alltagsbeispiel
Heute Vormittag nach einer Begebenheit fiel es mir dann wie Schuppen von den Augen: Nein, es ist nicht das permanente Umhertragen, die wachen Nächte oder das Streit schlichten, wenn meine Babytochter ein Spielzeug des großen Bruders anschnullt, was ihm natürlich so gar nicht passt. Das alles ist stressig, keine Frage, aber was mir wirklich am aller schwersten fällt, ist dieses andauernde spontane Reagieren auf alle möglichen Situationen und der Versuch, dem dann noch etwas Positives abzugewinnen, um nicht komplett durchzudrehen und den ganzen Tag nur grummelig umherzulaufen.
Das Beispiel von heute Vormittag, um zu illustrieren, was ich damit meine: Meine fünfeinhalb Monate alte Tochter hatte deutliche Anzeichen von Müdigkeit gezeigt, während sie in ihrer Wippe saß und mir dabei zusah, wie ich die Spülmaschine ausgeräumt habe (yeay, ein Punkt von der To-Do-Liste gestrichen!) Es war eigentlich noch vor ihrer üblichen Schlafenszeit, soweit man denn bei so kleinen Babys von üblichen Schlafenszeiten sprechen kann.
Ganz die liebevolle Mama, habe ich dann die Spülmaschine Spülmaschine sein lassen und bin mit ihr nach oben in unser Schlafzimmer, um sie hinzulegen. Da sie nun mal am allerbesten schläft, wenn ich neben ihr liege, habe ich mir währenddessen gut zugeredet und versucht das Positive an der Situation zu sehen. Ich habe mir also gesagt: “Naja, komm, der Haushalt läuft Dir ja nicht weg, man soll doch auch schlafen, wenn das Baby schläft. Während die Kleine schlummert kannst du dich an sie kuscheln und ganz entspannt einen Podcast hören, dich einfach ein bisschen ausruhen, bevor der Große aus der Kita kommt, das ist doch auch super.”
“Je länger die Einschlafbegleitung gedauert hat, desto mehr habe ich mich dann auch auf eine Pause gefreut. Irgendwann ist meine Kleine tatsächlich eingeschlafen. Ich habe mich neben sie gekuschelt, einen Podcast angemacht und die Augen geschlossen. Ah, alles super! Aber gerade als ich richtig schön am einschlummern war, spürte ich kleine Patschehändchen die in meinem Gesicht rumfuhrwerkten. Meine Tochter hat sage und schreibe 20 Minuten geschlafen und war nach diesem Powernap der Meinung, es sei nun auch wieder gut.”
Bei mir war aber gerade das Gegenteil der Fall. Ich war eigentlich vorher wach und voller Tatendrang, als ich mich aber mit ihr hingelegt habe, ist mein Kreislauf runtergefahren, weil ich mich ja auf ein Schläfchen eingestellt hatte. Nun war das Baby aber wieder wach, und ich? Ich war weder ausgeruht noch war die Spülmaschine ausgeräumt. Stattdessen war ich einfach nur genervt.
Uns Kleinkind- und Baby-Mamas fehlt die eigene Autonomie
Das ist eine Beispiel-Situation aus ganz vielen am Tag, in denen man als Mama sämtliche Pläne über den Haufen werfen und einfach nur reagieren muss. Sei es, wenn man das Radio laufen lässt und der Sohn sofort ankommt, die Musikauswahl ändert und als Gegenprogramm die Toniebox laufen lässt oder auch wenn man eigentlich nur noch schnell in die Drogerie möchte, aber merkt, dass das Baby schon so quengelig ist, dass dies nur in einem Schreikonzert enden kann und man daher das Vorhaben lieber auf morgen verschiebt.
Und das ist auch genau der Punkt, der mich am Mamasein oft wirklich so stark anstrengt und mich an meine Grenzen bringt. Man macht den ganzen Tag zwar vielleicht nicht viel im herkömmlichen Sinne, ist aber im Grunde die ganze Zeit damit beschäftigt, sich auf fremde Bedürfnisse und Stimmungen einzustellen und dem dann auch noch etwas Positives abzugewinnen, um nicht ständig nur mies gelaunt rumzulaufen. Im Grunde also kompletter Autonomieverlust.
Den ganzen Tag kümmern wir uns um die Bedürfnisse anderer und werden als Dank auch noch angeschrien
Sicher, auch im Job muss man auf unvorhergesehene Situationen reagieren und kann nicht immer stur nach Schema F vorgehen. Das kenne ich nur zu gut. Ich bin trotzdem der Meinung, dass diese Situationen weniger oft vorkommen als das mit einem Kind der Fall ist. Auch wird man in aller Regel nicht vom Chef oder den Kollegen angeschrien, wenn es dann doch mal nicht sofort klappt.
Ich muss gestehen, dass ich nach dem missglückten Schläfchen im ersten Moment echt sauer auf meine Tochter war und kurz gebraucht habe, um sie nicht anzumeckern. Nachdem ich also einmal durchgeatmet und mich mit einem doppelten Espresso intus auf diese neue Situation eingestellt hatte, dachte ich: “Okay, dann also wieder raus aus dem Schlafzimmer und rauf auf die Krabbeldecke. Dann räume ich eben während sie strampelt den Frühstückstisch auf.”
Meine Tochter wiederum fand es keine gute Idee, dass ich mich von ihr weg bewegte, viel schöner wäre es jetzt doch, wenn ich ihr beim Spielen und strampeln zusähe. Und schon begann ein Schreikonzert…
Statt den Tisch abzuräumen nahm ich also meine Tochter fest in den Arm, lief mit ihr durch die Wohnung und trocknete ihre Tränen, um mich dann danach mit ihr auf den Boden zu setzen und ihr beim Spielen zuzusehen. Sicher, auch dem kann man wieder etwas Positives abgewinnen, beispielsweise dass ich ihr beim Strampeln und Glucksen zuschauen und einfach in Ruhe eine Tasse Tee genießen, oder meine Nägel lackieren könnte. Wobei ich mich fragte, ob ich es denn wirklich schaffen würde alle 10 Nägel zu lackieren, bevor es meiner Tochter mit dem Spielen wieder reichen würde.
Mein Fazit: Es sind nicht immer die sichtbaren Dinge, die den Tag ausmachen
Sich den kompletten Tag auf solche Situationen einzustellen, finde ich wahnsinnig anstrengend und wenn ich dann am Abend einmal wieder resümiere, was ich eigentlich den ganzen Tag gemacht, oder auch nicht, dann muss ich mir immer wieder vor Augen halten, dass ich vielleicht nicht sehr viele sichtbare Dinge im Haushalt geschafft, dafür jedoch von morgens bis abends auf eine andere Person eingegangen bin und deren Wünschen entsprochen habe. Umso mehr genieße ich dann die Momente in denen tatsächlich einmal alles nach Plan läuft und meine Tochter dann doch einmal eine Stunde schläft, in der ich mich neben sie legen kann.
Das Fazit meiner Erzählung soll nicht sein, dass Mamasein nur als nervig und anstrengend hinzustellen, sondern sich vielmehr zu vergegenwärtigen, dass es nicht immer die sichtbaren Dinge sind, die den Tag ausmachen und die einen sehr anstrengen und fordern, sondern ganz oft die vielen unsichtbaren Dinge, die man am Ende des Tages nicht sieht.
Jetzt reibt sich meine Tochter wieder die Augen. Nach meinem inzwischen zweiten Espresso steht mir zwar nicht der Sinn nach einem Schläfchen, aber irgendwann, so denke ich mir, wird die eigene Autonomie auch wieder größer werden. Und bis dahin versuche ich dennoch weiterhin jeder Situation etwas Positives abzugewinnen: dann schaue ich eben eine Serie, während ich neben ihr liege.
Der Frühstückstisch und die Spülmaschine? Die stehen dann wohl weiterhin auf meiner To-Do-Liste.
Über Nina:
Ich heiße Nina, bin 35 Jahre alt, born and raised im schönen Nürnberg. Dort lebe ich zusammen mit meinem Mann, unserem dreijährigen Sohn und unserer Babytochter. Wenn ich nicht gerade, wie aktuell, in Elternzeit bin, bin ich als Juristin für meine Heimatstadt tätig, was mir rießig Spaß macht. Ich liebe es, Sachverhalte zu analysieren, zu strukturieren und auf die rechtlichen Fallstricke abzuklopfen und meine Kolleginnen und Kollegen zu beraten. Daher fällt mir der turbulente und manchmal chaotische Alltag mit Kindern auch nicht immer ganz leicht, die wollen nämlich des öfteren nicht ganz so gerne beraten werden ????. Ich bin dankbar und finde es unglaublich spannend, die Welt durch meinen Sohn und meine Tochter noch einmal mit Kinderaugen erleben zu dürfen. Es ist nicht immer einfach, aber langweilig wird es definitiv nie.”
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Photocredits: Tai’s Captures via Unsplash