Von Gastautorin Sonja Hoffmann
Vor einem Monat habe ich gemeinsam mit meinem Partner einen Mindfulness-Based Childbirth and Parenting (MBCP) Kurs besucht und vieles über eine achtsame Geburtsvorbereitung gelernt. Meine wichtigsten Learnings möchte ich dir in diesem Artikel mit auf den Weg geben:
Achtsamkeit als Ressource
Wenn ich mich so umhöre, dann ist Achtsamkeit für manche Menschen ein Trend geworden und wird mit Langsamkeit, Langeweile und Stille verbunden. Für eine vielbeschäftigte Person scheint die Achtsamkeitsbewegung oft sogar unrealistisch und utopisch. Daher wird Achtsamkeit als Ressource für viele Menschen gar nicht mehr wahrgenommen. Ich selbst zählte mich auch schon mal dazu, da ich Achtsamkeit als Ressource über einige Jahre etwas aus den Augen verloren hatte. Die Achtsamkeit fand mich zu Beginn der COVID-19-Pandemie wieder, wenn auch unter dem Gewand des “Achtsamen Selbstmitgefühls”. Durch viele Übungen im Bereich Achtsamkeit gab ich dem Thema wieder mehr Gewicht. Als ich plante schwanger zu werden, informierte ich mich über mentale Geburtsvorbereitung und fand etwa die Methode des Hypnobirthing. Zunächst kaufte ich mir das Hypnobirthing-Buch von Marie F. Mongan, fand im Internet aber auch kritische Stimmen zu der Methode, etwa dass eine völlig schmerzfreie Geburt nicht möglich sei, wie es im Hypnobirthing versprochen wird. Im weiteren Verlauf meiner Recherche stieß ich dann auf besagtes MBCP-Programm.
3 Learnings aus meinem achtsamen Geburtsvorbereitungskurs
- Im Kurs habe ich gelernt, achtsam mit Körperempfindungen, Gedanken und Gefühlen umzugehen. Dazu gehört auch, Gefühle wie Schmerz anzunehmen. Eine gute Übung dazu findest du in diesem Youtube-Video: Bodyscan
- Wie du mit Geburtsschmerz mental klarkommen kannst, dank der praktischen Eiswürfel-Übung und mentaler Techniken. Dazu füllst du einen großen Topf mit Eiswürfeln, so dass du mit den Händen ganz eintauchen kannst. Eine Wehe geht ungefähr eine Minute lang, halte die Eiswürfel ebenfalls eine Minute lang in deinen Händen. Dein Partner kann währenddessen die Zeit stoppen. Folgend ein paar mentale Techniken, die zur Schmerzlinderung beitragen können:
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- Mantra: Du fokussierst dich auf ein Wort wie etwa „Familie“. Dieses Mantra habe ich für mich herausgefunden. Während du die Eiswürfel in eine oder in beide Hände (eine Stufe höher) legst, kannst du das Mantra „Familie“ wiederholen. Du kannst auch eine Affirmation nutzen: „Jede Welle bringt mich mehr zu meinem Baby!“ oder das Wort „Liebe“ – dir sind da keine Grenzen gesetzt. Es ist alles gut, was sich gut anfühlt!
- Lächeln: Nimm in der “Eiswehe” beide Hände voll mit Eiswürfeln. Die starke Empfindung mittels der Eiswürfel in beiden Händen imitiert die zunehmende Wehenstärke, die auch während der Geburt auftritt. Spanne nun deine Muskeln um die Mundwinkel an, damit sich diese zu einem Lächeln nach oben ziehen. In der Forschung ist es bekannt, dass während des Lächelns Endorphine ausgeschüttet werden.
- Atmen: Nimm die Eiswürfel in die Hand und zähle still für dich deine Atemzüge. Beim Einatmen „eins“ und beim Ausatmen „zwei“, beim nächsten Einatmen „drei“ und beim folgenden Ausatmen „vier“ und so weiter. Und falls du aus dem Rhythmus kommst, beginnst du einfach wieder bei „eins“. Auch in der Wehenpause lohnt es sich beim Atmen zu bleiben. Nutze diesen Anker, er hilft dir, deine Konzentration während der Wehe beizubehalten. Im Übrigen fördert diese Übung die Neugier während der Wehenarbeit, denn eine Wehe kann länger dauern als die andere und dein Fokus liegt eher auf einer positiven Geisteshaltung, so dass der eigentliche Schmerz in den Hintergrund treten kann.
- Tönen: Das Tönen beruht auf einer alten Technik, die beruhigend und schmerzstillend wirkt. Besonders die Töne „Ahh“, „Ohhh“ oder „Ohm“ sind hilfreich. Lenke deine Aufmerksamkeit bei der Einatmung darauf, dass du frische Energie einatmest und töne beim Ausatmen mit einem Laut deiner Wahl. Konzentriere dich dabei auf das, was der Körper nicht mehr braucht. Lasse los und entspanne deine Muskeln.
- Übungen mit Berührungen durch den Partner: Probiert es gemeinsam aus, ob du während der Eiswürfelwehen von deinem Partner gehalten oder umarmt werden möchtest. Manche Frauen empfinden dies während der Geburt als unterstützend. Außerdem schüttet der Körper dabei das Bindungshormon Oxytocin aus, was besonders hilfreich für die Geburt ist! Was als angenehm und stärkend empfunden werden kann:
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- Die Hand halten (eine sichere und zuversichtliche Berührung)
- Den Kopf halten: eine Hand auf die Stirn und die andere Hand auf den unteren Hinterkopf
- Die Füße halten: In einer liegenden Geburtsposition bringt dies ein Gefühl der Erdung
- Streichen und Streicheln: Von oben nach unten streichen und streicheln wird als entspannend erlebt
Der Kurs hat mich gelehrt: Geburt beinhaltet Transformationsschmerzen. Mit diesem Wissen laufe ich keiner Illusion einer perfekten Geburt hinterher, sondern ich weiß, was mich erwartet und bin bestens vorbereitet. Dazu gehören auch die unvorhergesehenen Momente und mir ist klar, dass es davon welche geben wird. Meine Angst vor Schmerzen habe ich reduzieren können, auch wenn mir die rosarote Brille einer schmerzarmen Geburt genommen wurde. Es mag schmerzarme Geburten geben, jedoch ist mir bewusst, dass Geburten individuell sind, wie wir unterschiedliche Menschen sind. Ich bin gespannt, wie die Geburt meines ersten Kindes im Spätsommer verlaufen wird und bin neugierig auf diese einzigartige Erfahrung, in der ich hoffentlich meine Urkraft kennenlernen darf.
Über Sonja
Sonja, 32, wohnt im schönen Rheinland und ist mit ihrem ersten Kind schwanger. Sie hat sich im September 2021 als Virtuelle Assistentin selbstständig gemacht. In Sonja schlummert eine aufgeweckte Scanner-Persönlichkeit. Darum probiert sie sich beruflich nebenbei als Yogalehrerin und als Kursleiterin für achtsames Selbstmitgefühl (MSC) aus. Bei isa. who else schreibt sie für die Rubrik Gastartikel.
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Fotocredits: Ignacio Campo via Unsplash