5 Jahre bis zum Wunschkind

Von Stefanie Mersiovsky 

“Na dann alles Gute – beim nächsten Mal dann mit Kugel”. Meine Gynäkologin zwinkert mir fast schon verschwörerisch zu und beendet damit unser Gespräch zum Thema Kinderwunsch. Ich bin gesund, jung und habe keinerlei Vorerkrankungen. Nun soll ich nur noch meinen Folsäurehaushalt auffüllen und dann würde es schon bald klappen mit einem Kind. Voller Vorfreude machten wir uns also im Sommer 2015 an die Kinderplanung. Rückblickend muss ich schon über das Wort lachen – als ob man auch nur irgendwas im Zusammenhang mit Kindern planen könnte! Und erst recht nicht, wann man sie bekommt. Dass wir erst 5 Jahre und viele Tränen später unser Wunder in den Armen halten durften, hätten wir damals nicht gedacht. Ich möchte euch, liebe Leser*innen, auf unserem Weg mitnehmen und vor allem denen unter euch, die auch damit zu kämpfen haben, Mut machen.

Wenn ich mich an die Anfänge unserer Kinderwunschzeit erinnere, fühlte es sich fast an wie frisch verliebt zu sein. Wir hüteten ein süßes Geheimnis und ich plante insgeheim schon, wie wir eben dieses zu Weihnachten enthüllen würden. Denn dass es bis dahin mit einer Schwangerschaft klappen würde, davon ging ich insgeheim aus. Ich stöberte also stundenlang auf Pinterest nach der perfekten Idee. Urlaubspläne für das nächste Jahr schmiedeten wir gar nicht erst. Und tatsächlich blieb meine Periode aus. Sollte es gleich im ersten Zyklus nach Absetzen der Pille geklappt haben? Ich wartete noch zwei Wochen, da mir bewusst war, dass es etwas dauern kann, bis der Zyklus sich wieder eingependelt hat. Aber meine Blutung blieb aus. Der Schwangerschaftstest war jedoch blütenweiß. Es war zugegeben eine kleine Enttäuschung und der Beginn unserer Odyssee. Denn es dauerte noch 6 Monate, bis meine Eierstöcke erstmals wieder ein Lebenszeichen von sich gaben.

“Ich habe eine vergleichsweise geringe Dosis bekommen und fühlte mich wie eine Legehenne.”

Nach diesem holprigen Start begaben wir uns in die Hände einer Kinderwunschklinik. Wir wollten sichergehen, dass mit uns (und speziell mit mir) alles in Ordnung war. Das Ergebnis war erfreulich und ernüchternd zugleich. Wir waren kerngesund, mein Körper scheinbar nach der jahrelangen Pilleneinnahme nur etwas im Winterschlaf. Die Ärzte versuchten mit einer kleinen Hormonkur, alles wieder anzukurbeln. Einen Zyklus lang spritzte ich mir also Hormone. Liebe Kinderwunsch-Mädels… An der Stelle meinen größten Respekt für jede von euch, die nur damit die Chance auf ein Baby hat und sich vielleicht sogar mehrfach dieser Tortur unterziehen muss. Ich habe eine vergleichsweise geringe Dosis bekommen und fühlte mich wie eine Legehenne. Der Eisprung wurde dann medikamentös ausgelöst und dann das “Highlight” schlechthin: Sex nach Plan. Der Versuch blieb erfolglos, ich war nicht schwanger. Danach wussten wir, dass wir noch nicht so weit sind, alle Register zu ziehen und der Natur noch eine Chance geben wollten. Aber wir brauchten Geduld. Noch immer waren meine Zyklen teilweise 3 Monate lang und die Chancen auf eine Schwangerschaft damit klein.

“Mehr als einmal lag ich weinend im Bett und wünschte mir, dass auch wir endlich an der Reihe wären.”

Währenddessen wurden gefühlt alle Frauen in unserem Umfeld schwanger. Und wir von Monat zu Monat frustrierter. Warum war es uns nicht vergönnt, Eltern zu werden? Oft sprachen wir darüber, was wäre, wenn es nie klappen würde. Für meinen Mann und mich stand fest: Wir sind ein tolles Team, ob mit oder ohne Kind. Wir machten uns eine tolle Zeit, dachten so gut es ging nicht an den Kinderwunsch, immerhin sei das doch das Geheimrezept. Die immer häufiger werdenden Fragen aus dem Umfeld, wann wir denn nun endlich mal loslegen, gingen trotzdem mitten ins Herz. Mehr als einmal lag ich weinend im Bett und wünschte mir, dass auch wir endlich an der Reihe wären. Aber die Monate gingen dahin. Immerhin pendelte sich mein Zyklus gaaaaanz langsam ein und nach etwa zwei Jahren konnte ich wieder von so etwas wie einer Regelmäßigkeit sprechen.

“Mein Gefühl trügte mich nicht. Der zweite Strich erschien und ich wusste gar nicht wohin mit meiner Freude.”

Etwa vier Jahre nach dem Absetzen der Pille kam ich von einer Dienstreise zurück und hatte plötzlich “so ein Gefühl”. Die ganzen Jahre zuvor hatte ich vielleicht vier oder fünf Schwangerschaftstests gemacht. Ich war also beim besten Willen niemand, der in jedes Ziepen im Unterleib gleich eine Schwangerschaft hinein interpretierte. Mein Gefühl trügte mich nicht. Der zweite Strich erschien und ich wusste gar nicht wohin mit meiner Freude. Als am Abend der werdende Papa von der Arbeit kam und ich ihm eine kleine Box mit dem Test darin überreichte, wurde es langsam real: Wir würden Eltern werden. Doch die Freude währte nicht lange. Nur zwei Tage später erwachte ich morgens mit Blutungen. Ich hatte gelesen, dass das in der Frühschwangerschaft normal sein können, also machte ich mir erst einmal keine großen Sorgen. Als die Blutung aber stärker wurde, ging ich doch zu meiner Frauenärztin. Die konnte mir leider keine großen Hoffnungen machen. Alles sähe nach einem frühzeitigen Abort aus. 

“Meine Gefühle in diesen Tagen lassen sich nur schlecht beschreiben. Ich war todtraurig.”

Meine Gefühle in diesen Tagen lassen sich nur schlecht beschreiben. Ich war todtraurig, dass wir dieses kleine Etwas verloren hatten. Aber ich machte weiter wie bisher. Eine Krankschreibung wollte ich nicht, wollte nicht alleine zu Hause sein und den ganzen Tag grübeln. Gleichzeitig hatte ich Hoffnung. Wir waren so weit wie noch nie zuvor. Wenn ich einmal schwanger geworden war, müsste es doch auch ein zweites Mal klappen – oder? Kurz vor dem positiven Test hatte ich einen Termin bei einem Naturheilpraktiker ausgemacht. Die Idee kam von einer Freundin, die nach mehreren Fehlgeburten diesen Weg einschlug. Zum Glück hatte ich den Termin nach dem positiven Test noch nicht abgesagt. Ein kleiner Hoffnungsschimmer.

“Ich fühlte mich endlich verstanden.”

Schon mein erstes Gespräch bei diesem Naturheilpraktiker gab mir unglaublich viel Kraft. Ich fühlte mich endlich verstanden. Er ließ mich von unserem Weg berichten, stellte mir gezielt Fragen und traf mit jeder seiner Vermutungen über mein Wesen voll ins Schwarze. Darüber hinaus ließ er Blut, Urin und Speichel untersuchen um nochmal einen ausführlichen Hormonstatus zu haben. Zwar wurde sowohl in der Kinderwunschklinik als auch beim Endokrinologen, den ich in dieser Zeit aufsuchte, keine Auffälligkeit gefunden, aber er erklärte mir, dass vor allem der Speichel hier viel aussagekräftiger sei, als das Blut. Noch während wir auf die Ergebnisse warteten, behandelte er mich auf Stressreduktion: Akupunktur, leichte Ernährungsumstellung, homöopathische Substanzen. Es tat mir gut, endlich wieder aktiv etwas für unseren Kinderwunsch tun zu können. Und nur 3 Monate nach der Fehlgeburt war da wieder dieses Gefühl…

“Als die zweite Linie auf dem Test erschien, war ich gar nicht groß überrascht. Mein Körper wusste es bereits.”

Ein paar Tage lang schob ich den Gedanken vor mir her. Ohne wirklichen Grund bestellte ich fast automatisch Kinderpunsch statt Glühwein und fühlte mich einfach irgendwie anders. Ich hatte noch einen Termin mit meinem Naturheilpraktiker vereinbart, um telefonisch die Auswertung der Testergebnisse zu besprechen. Aber vorher wollte ich Klarheit. Als die zweite Linie auf dem Test erschien, war ich gar nicht groß überrascht. Mein Körper wusste es bereits. Und ich wusste: dieses Mal würde es gut gehen. Ich telefonierte mit meinem Naturheilpraktiker, der mich direkt zu meiner Gynäkologin schickte. Die Tests zeigten nämlich, dass ich an Progesteronmangel litt – ein Stresssymptom… Unangemeldet stand ich also bei meiner Gynäkologin auf der Matte, die mich sehr ernst nahm, mir ohne großes Zögern Progesteron verschrieb und mich in den ersten Wochen regelmäßig bestellte, um zu schauen, ob alles in Ordnung ist. Und so sah ich auf dem Ultraschall schon eine Woche nach dem positiven Test das erste Mal unser kleines Krümelchen.

“Auf den Tag genau ein Jahr nach der Fehlgeburt wurde unser kleiner Wurschtel geboren.”

Die ersten Wochen bangte ich, hatte Angst vor jedem Termin. Aber von Mal zu Mal wurde ich entspannter und sicherer, dass nun alles gut werden würde. Das kleine Wesen entwickelte sich prächtig. Ich hatte eine tolle Schwangerschaft ohne jegliche Beschwerden. Ich sprühte nur so vor Energie, genoss die kräftigen Tritte meines kleinen Babys und freute mich auf den Tag, an dem er (dass es ein Junge werden würde, wussten wir inzwischen) endlich bei uns sein würde. Auf den Tag genau ein Jahr nach der Fehlgeburt wurde unser kleiner Wurschtel geboren.

Inzwischen ist mein Sohn bereits 15 Monate alt und um uns herum werden langsam die Fragen nach einem Geschwisterchen laut. Anders als in den Jahren zuvor, gehe ich nun offener mit dem Thema um, sage, dass wir keinen einfachen Weg hatten und froh sind, überhaupt ein gesundes Kind haben zu dürfen. Denn ob wir unser Schicksal noch einmal herausfordern wollen, wissen wir heute noch nicht. Wir haben uns auch all die Jahre nie Gedanken darüber gemacht, ob wir eigentlich mehrere Kinder wollen, sondern nur, ob wir überhaupt ein Kind bekommen werden. Im Moment fühlen wir uns komplett. Ein Kind großzuziehen ist eine wahnsinnige Herausforderung, und ehrlich gesagt hat mich das erste Jahr oft an meine Grenzen gebracht. Aber die Dankbarkeit für dieses kleine Wunder lässt einen das zum Glück ganz schnell vergessen.

Artikelbild von Omar Lopez via Unsplash