Von den Gastautorinnen Hanna Meyer und Svenja Krämer
Wer kennt das noch? Vor der Geburt des Babys denkt man: Kann doch eigentlich nicht so schwer sein! Ich bleibe ganz die Alte. Das schaffe ich schon, wie so viele Mamas vor mir. Und was ist nach der Geburt? Dann gehen einem auf einmal die Augen auf!
Jedenfalls ging es uns so. Wir haben etliche Erfahrungen in den ersten beiden Babyjahren gemacht, mit denen wir so nie gerechnet hätten. Und aus Interviews mit anderen Mamas wissen wir: Viele Frauen, die Mamas werden, erleben Herausforderungen in der Phase des Mamawerdens. Wir finden, dass noch immer zu wenig darüber gesprochen wird: dass alles irgendwie komisch ist, vieles überrascht und ein großer Teil auch schlichtweg überfordert. Trotz der vielen Momente grenzenloser Liebe zu dem Baby kann daher bei Mamas schnell der Eindruck entstehen, es sei nur für sie so schwierig und herausfordernd. Wir konnten nicht akzeptieren, dass das neue Leben mit Baby nur für uns so chaotisch ist und haben uns daher auf die Suche gemacht: Wir haben wissenschaftliche Studien und Artikel ausgewertet und können mit Überzeugung sagen: Es geht sehr, sehr vielen Frauen so.
Die Erfahrungen unterscheiden sich natürlich von Mama zu Mama. Für manche sind die Herausforderungen der körperlichen Anstrengung z. B. durch das Stillen und die Rückbildungsthemen besonders belastend. Hallo Beckenboden! Hallo Kaiserschnittnarbe! Andere sind von Ausbrüchen ganz neuer Gefühle überrascht und wundern sich, dass die Gefühle wie in der Pubertät sich im Minutentakt ändern. Es kann überwältigend sein, wenn man sich selbst so nicht kennt. Man entdeckt vielleicht auch ganz neue Gedanken, Gefühle und Sorgen. Und ach, die Sorgen: Wie kommt es, dass sie scheinbar standardmäßig als neue Mitbewohnerinnen in uns Mamas stecken? Auch Irritationen oder Veränderungen des sozialen Umfelds erleben einige Frauen in dieser Zeit. Vielleicht gibt es Erwartungen der Familie, die belasten können? Beziehungen und Freundschaften ändern sich meistens. Außerdem muss die Partnerschaft auf ganz neue Beine gestellt werden. Und damit sind die Aspekte der beruflichen Identität einschließlich der Herausforderungen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch gar nicht berührt. Und die Krönung kommt noch: zu alledem hat frau von sich selbst oftmals bereits eine Vorstellung, wie sie sein möchte. Das alles kann einen mit einem Baby ganz schön aus der Bahn werfen.
All dies sind nur einzelne Themen, mit denen sich Frauen in der Zeit als frische Mamas konfrontiert fühlen können. Ein idealisiertes gesellschaftliches Rollenbild oder auch unrealistische Darstellungen von InstaMoms können die Unsicherheiten weiter verstärken bzw. sind in jedem Fall nicht hilfreich.
Bei all der Liebe und Happiness mit dem Baby kann sich das Mamawerden also auch immer wieder seltsam und komisch anfühlen. Und sind WIR deshalb seltsam oder komisch? Nein, wir sind mitten in der Muttertät! Wer bei dem Wort nun an Pubertät denkt, hat genau richtig gedacht. Muttertät beschreibt die Phase eines ähnlichen Veränderungsprozesses, nämlich den von einer Frau, die ein Baby bekommt. Forschungen haben zum Beispiel nachgewiesen, dass sich das Hirn einer Mama (in der Phase der Muttertät) verändert und wie Hormonveränderungen nach der Geburt Auswirkungen auf Gefühle haben können. Es ist also schon bereits durch die körperlichen Veränderungen sehr gut erklärbar, warum sich eine Frau plötzlich anders fühlt, wenn das Baby da ist. Sich selbst wieder zu finden und zu verstehen – und nun mit Baby durch das Leben zu gehen – hat Zeit verdient. Denn es ist ein Übergang.
Lasst uns alle mehr darüber sprechen, was uns umtreibt und welche Herausforderungen wir wahrnehmen. Wir haben das gemacht und unsere Erfahrungen in unserem Buch aufgeschrieben. Wir freuen uns, wenn ihr Lust habt einmal reinzulesen: https://www.muttertät-plötzlich-alles-anders.de
Auch hier im Forum können wir uns dazu austauschen.
Über Hanna und Svenja:
Hanna Meyer, 1986 in Niedersachsen geboren, ist Kriminologin, Polizei- und Politikwissenschaftlerin und hat Abschlüsse in Europäischer Ethnologie und Sozialwissenschaften. Als Beraterin begleitet sie im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit institutionelle Veränderungsprozesse im Sicherheitssektor. Seit 2020 ist sie außerdem Mama. Mit Sohn und Freund lebt sie in Berlin.
Prof. Dr. Svenja Krämer, geboren 1982, ist Erwachsenenbildnerin, Trainerin und Coach. Ihre Promotion hat sie 2018 abgeschlossen und arbeitet seit dem Jahr 2021 als Professorin an einer privaten Universität. Sie forscht und publiziert zum Thema Lernen über den gesamten Lebensverlauf mit dem Fokus auf Lernen in Übergangsphasen. Sie lebt mit ihrem Mann in Berlin und ihre eineiigen Zwillinge kamen 2019 auf die Welt.
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Photocredits: Sophie Bellmann, Matt Hoffman via Unsplash